Schwedens alte Kanäle
- Fahrt auf dem Kinda-Kanal -
Südschweden hat uralte Kanäle, die schon kurz nach ihrer Fertigstellung ihre wirtschaftliche
Bedeutung aufgrund des aufkommenden Eisenbahnverkehrs verloren haben, aber heute für die Freizeitgestaltung einschließlich Tourismus eine wohl einmalige Beliebtheit haben. Der Göta-Kanal,
der Göteborg mit Stockholm verbindet, dürfte international bekannt sein. Aber wer kennt schon den Kinda-Kanal?
Wir unternehmen eine Tagestour ausgehend von Linköping, der Stadt, wo die
Weltfirma Saab zu Hause ist. Flugzeuge an der E4 (Malmö – Stockholm) machen die Autofahrer auf die Stadt und die Saab-Fabrik mit Saab-Museum aufmerksam.
Historie und Lage
Schon Mitte des 18. Jahrhunderts gab es Pläne für einen Kanal, der die Transporte
von den Waldgebieten im Süden Östergötlands nach Linköping am See Roxen erleichtern sollten. Dabei wollte man den natürlichen Wasserweg Stangan einbeziehen und die Seen Järnlunden und
Asunden miteinander verbinden. Nur an einigen wenigen Stellen war es erforderlich, einen Kanal zu graben und Schleusen zu bauen.
Es sollte noch bis 1799 dauern, bis der Kanalbau in Gang kam. Im ersten Jahrzehnt
des 19. Jahrhunderts wurde der Kanal dann gebaut, von Horn im Süden bis zur Nordspitze des Stora Rängen. Nur eine einzige Schleuse bei Brokind musste angelegt werden. Bedauerlicherweise
wurde die Schleuse beim Frühjahrshochwasser 1813 zerstört, da ihre Stabilität falsch berechnet war. Für die Kanalgesellschaft bedeutete das den Konkurs.
Fast 40 Jahre sollte es dauern, bis die Pläne für den Kanal wieder aufgegriffen
wurden. Die neue Streckenführung folgte weitgehend dem natürlichen Lauf des Stangan. Nur 6 km mussten gegraben werden. Allerdings waren mehr als 10 Schleusen nötig, um den
Niveauunterschied am neuen Kanalabschnitt auszugleichen.
Anfang der 70er Jahre des 19. Jahrhunderts war die heutige Streckenführung fertig,
doch der Kanal verlor durch die Konkurrenz der Eisenbahn bereits Anfang des 20. Jahrhunderts an Bedeutung für die Holz- und Agrartransporte.
Seit Mitte des 20. Jahrhunderts dient der Kanal als beliebtes Ausflugziel für die
Lokalbevölkerung und als Attraktion für immer mehr Touristen, die hier Ruhe und Erholung suchen. Seit einiger Zeit nimmt auch das Interesse am Kanal als Baudenkmal zu. Und nicht zuletzt
trägt die herrliche Landschaft rund um den Kanal dazu bei, dass er heute eine neue Blütezeit erlebt.
Heute ist AB Kinda Kanal im Besitz von Landstinget i Östergötland, Linköpings
Kommun, Kinda Kommun und Göta kanalbolag.
Das Hotel-Paket
Wir haben ein „Hotel-Paket“ über das Hotel Stanga gebucht, das
beinhaltet Hotelübernachtung mit Frühstück, Tagesfahrt auf dem Kinda-Kanal mit Mittagessen und Nachmittagskaffee sowie spät Nachmittags Rückfahrt mit dem Bus nach Linköping. Alles
zusammen für 80 € - der Preis ist sagenhaft günstig (www.kindakanal/se).
Empfehlenswert wäre allerdings, ein anderes der im Paket angebotenen Hotels zu nehmen, denn das Hotel Stanga liegt an einer Hauptverkehrsstraße in der Nähe vom Bahnhof und wir konnten
wegen des Lärms kaum schlafen.
Viele Erlebnisse
Die M/S Kind liegt auf dem Fluss Stangan, in der Nähe der Altstadt. Pünktlich um
10.00 Uhr werden die Ankertaue eingeholt und los geht’s. Am Uferpfad sind Jogger unterwegs und die angrenzenden Parks lassen schon den Herbst erkennen, obwohl es erst Ende
August ist. Schon nach etwa 2 km erreichen wir die 3stufige Schleuse von Tannefors. Der Schleusenwärter kommt mit dem Fahrrad angefahren, denn er hatte kurz vorher eine Brücke für unsere
Durchfahrt geöffnet und wieder geschlossen. Übrigens sind alle Schleusendurchfahrten zeitlich eingeplant und es gibt auch feste Zeiten für die Sportboote, die den Kanal befahren. Wir
fahren in die enge Schleusenkammer ein – unser junger Kapitän muss präzise manövrieren, denn der Platz rechts und links reicht nur für dünne Holzstangen, die das Schiff vor dem
Anprall an die aus Fels gesprengten Granitblöcke schützen.
Die beiden Schleusentore werden hinter uns mit der Handwinde geschlossen. Unser
Schiffsjunge – und später auch Passagiere – halfen dabei. Dann werden in dem vorderen Schleusentor Schieber geöffnet und das laut einströmende Wasser hebt unser Schiff sachte
nach oben. Alles wiederholt sich noch 2mal und dann haben wir eine Höhe von 10,5 m überwunden und fahren weiter durch einen engen Kanal, der sich aber bald erweitert. Wir fahren
vorbei an verlassenen Fabrikanlagen und schönen Häusern, deren Grundstücke bis an den Kanal reichen. Zu jedem Grundstück gehört ein Boot. Und leise – fast ohne Motorgeräusche
– gleiten wir durch die Landschaft bis zur nächsten Schleuse. Wieder erwartet uns ein Schleusenwärter und wieder wird unser Schiff mitsamt den etwa 50 Passagieren –
überwiegend aus Schweden; aber auch Deutsche und andere Nationen – angehoben.
Wir erleben eine einzigartige Tierwelt: Schwäne und Wildgänse, Enten und
Fischreiher, ein Fischotter verkriecht sich schnell in den Steinen der Uferbefestigung und eine Schlange gönnt sich sogar den Luxus, mit uns auf ein höheres Niveau angehoben zu werden.
Schön zu erleben, wie die Wildgänse im Wasser starten und dann in sicherer Entfernung von unserem Schiff wieder landen.
Höhepunkte der Schiffsreise waren zweifellos die Schleusen von Honra und Havetorp;
sie liegen etwa 1 km auseinander und wir können unsere M/S „Kinda“ verlassen, um den Schleusenvorgang über 15,8 m bzw. 8,9 m von außen zu beobachten. Wir können auch selbst mit an
der Schleusenwinde drehen.
Der Fußweg zur nächsten Schleuse entlang des Kanals, der hier von uralten
Eichen und Erlen umsäumt wird, ist ein Erlebnis. Auf dem Kanalabschnitt überholt uns unser Schiff und wir machen ein paar Aufnahmen der Kanallandschaft mit dem Schiff, das dann vor uns in
der Schleuse von Hovetorp verschwindet.
Das Überwinden dieser beiden Schleusen hat viel Zeit gekostet und wir haben
ordentlich Hunger. Die Bänke mit dem davor stehenden Tisch sind eng, das mag wohl daran liegen, dass früher die Menschen kleiner waren und auch die „Wohlstandsbäuche“ fehlten. Wir
haben Lachs gewählt, er wird mit einer Dill-Majonnaise, gerösteten Kartoffeln und etwas Salat gereicht. Die gebratenen Lachsfilets sind mit einer schmackhaften Kruste aus Mandeln umhüllt.
Dazu gibt’s ein Erichsberg-Bier aus Schweden – unser Hunger wird gestillt.
Vorbeifahrt an schön gelegenen Dörfern und Schlössern unterfahren wir die
Landstraße 34 von Kisa nach Linköping. Das Wetter hat sich leider verändert, die schwedische Landschaft ist auf einmal düster und regnerisch geworden und wir ziehen es vor, im Innern des
Schiffes zu bleiben. Die Ufer des Järnlunder-Sees sind weit entfernt, ab und zu mal Felsinseln im See, die wir auf einem im See markierten Wasserweg umfahren.
Nach fast 7 Stunden haben wir unser Ziel Ringaforsa erreicht und es geht mit dem
Bus zurück nach Linköping. Wir überqueren mehrmals den Kinda-Kanal und bemerken so nebenbei, dass die gleiche Landschaft vom Bus aus ganz anders wirkt.
Resümée
Es war ein tolles Erlebnis mit einmaligen Eindrücken von einer fantastischen
Landschaft mit netten Leuten an Bord – zur Nachahmung empfohlen.
|