Pratsche und der „Bahnsteig 6“
Pratsche hieß mit richtigem Namen Heinrich Stuke. Der Name „Pratsche" war
sein Spitzname*) und das mochte er gar nicht hören – er wurde sogar wütend, wenn man ihn so ansprach. Und sonntags fuhr „Pratsche“ regelmäßig zum
„Bahnsteig 6“, er wollte aber nicht mit der Bahn verreisen. Um „Pratsche“ gab es aber viele interessante Geschichten und Sex (das Wort gab es damals noch nicht) spielte dabei auch eine Rolle.
Sohn des größten Bauern
Heinrich Stuke kam vom größten Helstorfer Bauernhof Nr. 1, den sein Bruder Willi als
Ältester erbte. Heinrich zog aus und war am Klinkenberg zu Hause. Er half aber immer noch auf dem großen Bauernhof aus und war nebenbei Gemeinderechnungsführer.
Hoferbe Willi hatte keine Kinder und so sollte Heino, der Sohn von Heinrich Stuke (= Pratsche) den Hof mal erben. Heino war nicht unbedingt der Artigste und so kam er
zur „Erziehung“ zu einem Schulleiter nach Wagenfeld (Kreis Hoya). Aber auch da kam man mit Heino nicht zurecht und so musste er wieder in die Helstorfer Schule gehen.
Schulleiter Fritz Knüppling („Knaster“) hatte aber auch seine liebe Mühe, Heino zu bändigen.
Auf dem kleinen Anwesen wurde auch noch Lene als Magd gehalten; das war die
Schwester der Frau von ‚Pratsche‘. Lene hatte immer struppeliges Haar wie Struwelpeter – sie hörte schlecht und war geistig zurück geblieben. Zu Lene werde ich auch noch etwas sagen – sie hatte
auch noch andere Dienste zu leisten.
Herr „Pratsche“ ick bin et nich gewesen
Wir standen oben auf dem Getreidesilo
an der Vesbecker Straße. Das Getreidesilo war im Bau und wir Helstorfer Jungen spielten in dem Rohbau. Unten fuhr Pratsche mit dem Fahrrad vorbei und wir riefen alle „im
Chor“ „Pratsche – Pratsche - …“. ‚Pratsche‘ schmiss das Fahrrad an die Seite und kam die Treppen zum Silodachboden hochgerannt. Wir versuchten abzuhauen. Doch wohin?
Pratsche erwischte Willi Rohrsen und der konnte nur noch stammeln „Herr Pratsche – ick bin dat nich gewesen!“. Willi wurde ordentlich von dem wutentbrannten „Herrn Pratsche“
geschüttelt, die Schläge blieben aber aus.
Frieda Gusek kam in der Nachkriegszeit
mit ihren Söhnen Lothar und Werner ('Piefke') nach Helstorf und wurde von Bürgermeister Otto Gleue eingewiesen, bei
Heinrich Stuke zu wohnen. Stukes mussten zwei Zimmer räumen und waren natürlich, wie viele andere Helstorfer, über die
Einweisung nicht begeistert. Frieda Gusek sollte sich bei ‚Pratsche‘ am Klinkenberg melden und das tat sie auch. Sie
sprach Heinrich Stuke höflich mit „Herr Pratsche“ an und löste einen Wutausbruch aus. Das Verhältnis Mieter und Vermieter blieb gespannt, bis Gusek‘s irgendwann auszogen.
Auch Klaus Grund hatte ein ähnliches Erlebnis und sprach den
Gemeinderechnungsführer mit 'Herrn Pratsche' an - er wusste es halt auch nicht anders. Ein Wutausbruch war vorprogrammiert!!
‚Pratsche‘ und Bahnsteig 6
‚Pratsche‘ fährt mal wieder zum „Bahnsteig 6“, das war eine Redensart in Helstorf,
wenn Heinrich Stuke sonntags um 11.30 Uhr in den Bus nach Hannover einstieg und im Anhänger des gelben Postbusses auf der hintersten Bank seinen Platz einnahm.
Schaffner Müller, der sowohl vorne im Bus als auch hinten im Anhänger Fahrkarten verkaufte, hatte immer seinen Spaß mit
dem Sonntags-Stammfahrer.
Wir Kinder konnten mit der Bezeichnung „Bahnsteig 6“ wenig anfangen – bis wir im fortgeschrittenen Alter dahinter kamen,
dass mit „Bahnsteig 6“ eine Straße hinter dem Bahnhof in Hannover gemeint war, wo sich der Puff befand. Der Bahnhof von
Hannover hatte damals nur 5 Bahnsteige und der 6. Bahnsteig war halt der Puff, wo Heinrich Stuke regelmäßig am Sonntagnachmittag sein Vergnügen hatte.
Ja und man erzählte im Dorf, dass die Magd Lene auch schon mal bereit sein musste auch während der Kornernte auf dem
Feld.. Dann wurden, so wurde erzählt, ein paar Garben ausgebreitet und die Sache konnte beginnen. Der Vorteil war auch
noch, dass die Frauen Beinkleider oder gar nichts unter dem Rock trugen und das beschleunigte die Sache.
Die Magd Else auf dem Stukeschen Hof diente beiden Herren Willi und Heinrich in Sachen Liebesdienste. Dazu an anderer
Stelle mehr.
Resümee
‚Pratsche‘ war in der Helstorfer Szene ein Original von dem alle wussten, dass er ein außergewöhnliches Verlangen nach
Sex hatte – und wohl kaum jemand fand es anstößig, dass er sich sein Vergnügen bei den Damen am Bahnsteig 6 kaufte – und seine Frau Martha hatte ohnehin nicht viel zu melden.
*) Klaus Grund('Atomklaus') wusste zu berichten, dass der Name ‚Pratsche‘ von einem polnischen Landarbeiter, der auf dem Stukeschen Hof
arbeitete, stammte. 'Pratsche' heißt auf polnisch 'Bruder' - gemeint war damit der Bruder von Willi Stuke. Also kein beleidigendes Schimpfwort.
|